GESCHICHTE

Wie alles begann: die Meilensteine in der Geschichte der Bremer Wertpapierbörse

1644

Auf der Suche nach einer Heimat

Aller Anfang ist schwer – so auch für die ersten Bremer Geld- und Wechselmakler vor rund 375 Jahren. Ihr Anliegen, dem Geldgewerbe in der Hansestadt endlich ein eigenes Gebäude zuzusprechen, wird seitens des Stadtrates abgeschmettert. Stattdessen müssen sie unter freiem Himmel auf dem Marktplatz in der Nähe des Rathauses handeln – begleitet vom „Geschwätz des Pöbels und dem Gebell der Hunde“, kritisieren sie. Doch alles Klagen hilft zunächst nichts. Die erhoffte Überbauung des erweiterten Ratskellers bleibt aus, auch gibt es weder eine festgelegte Börsenzeit noch eine Börsenordnung.

1682

Ordnung muss sein – die Gründung

Das ändert sich allerdings einige Jahrzehnte später: Im Haus Schüttung, dem Sitz der Handelskammer, präsentieren die Kaufleute am 14. März 1682 Vorschläge für eine Börsenordnung. Sie soll Zeit und Ort für künftige Versammlungen festlegen, die Einsetzung eines besoldeten Börsenknechts – ein Unterbeamter, der das Haus in Schuss halten sollte – anordnen und die Börsenaufsicht regeln. Der Rat der Stadt stimmt den Vorschlägen zu – die erste Börsenordnung ist geboren. Und auch für die noch offene Frage des Standortes zeichnet sich langsam eine Lösung ab.

1695/1738

Börsen(aus)bau

Nach sechs langen Jahren der Planung – verbunden mit mehreren Bauverzögerungen – wird das erste Börsengebäude am Liebfrauenkirchhof Ende 1695 fertiggestellt. Kostenpunkt: 11.903 Reichstaler, mehr als doppelt so viel wie ursprünglich veranschlagt. Grund sind nachträgliche Änderungen des Bauplans. 1738 wird das Gebäude um ein zweites Stockwerk erweitert. Zwar haben die Kaufleute nun endlich eine Heimat gefunden, blieben dennoch Gast im eigenen Haus: Denn finanziert hat den Neubau die Stadt.

1803-1820

Bremerhaven als Vorort New Yorks

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts blühen Warenverkehr und Schifffahrt auf, Wechselgeschäfte bilden den Schwerpunkt. Besonders der Warenaustausch Bremens mit den USA nimmt zu. Aufgrund dessen hat Bremerhaven schnell seinen Beinamen als „Vorort New Yorks“ inne. Der Einmarsch Napoleon Bonapartes bereitet diesem Aufschwung jedoch ein vorübergehendes Ende: Die Militärverwaltung lässt die Börse schließen, 1811 allerdings wieder aufleben. Nach der Niederlage der Franzosen nimmt der Handel – insbesondere mit Rohstoffen – langsam wieder zu. Baumwolle kommt aus den USA, Reis aus Ostasien, später steigen auch die Importzahlen für Wolle aus Südamerika sowie für Petroleum.

1864

In voller Pracht – die neue Börse

Mitte des 19. Jahrhunderts sind 799 Firmen an der Bremer Börse zugelassen, das Gebäude platzt aus allen Nähten: Ein Neubau muss her. Der Senat stimmt den Plänen für eine Erweiterung an der Ostseite des Marktplatzes zu, dort, wo heute die Bremische Bürgerschaft zu finden ist. Der Bremer Architekt Heinrich Müller erhält den Auftrag, sein neugotischer Bau, der 1864 fertiggestellt wird, stößt größtenteils auf wohlwollende Kritik. Staatliche Verordnungen führen ab 1867 zu einer neuen Börsenentwicklung: Der Handel mit Wertpapieren setzt ein. Potenzielle Investoren bleiben aber zunächst zurückhaltend. 1883 werden an der Bremer Börse lediglich sechs Papiere notiert, bis 1890 sind in Bremen immerhin rund 40 Aktiengesellschaften gegründet worden.

1897-1914

Einheitliche Regeln für eine starke Börse

Die Zahl der Neuzulassungen am Börsenplatz Bremen schnellt zwischen 1897 und 1914 in die Höhe. Grund dafür ist nicht zuletzt eine neue Börsenordnung, die unter anderem die Aufsicht über die Geschäfte auf die Handelskammer überträgt. Das Gesamtvolumen beträgt zu diesem Zeitpunkt 3,5 Milliarden Goldmark.

1914-1929

Schwere Jahre

Der Kriegsausbruch 1914 beendet diesen Boom, der Handel kommt zum Erliegen. Zwar wird im März 1918 die Börsentätigkeit wieder aufgenommen, im November desselben Jahres ist es aufgrund der Revolution bereits wieder damit vorbei. Ein Handelskammer-Beschluss lässt die Kursfestsetzung bald darauf wieder zu, doch die Inflation setzt vielen kleinen und mittelgroßen Firmen schwer zu. Auch wenn der Handel sich Mitte der 1920er-Jahre wieder erholt, ist dieser Aufschwung nur von kurzer Dauer: Der Banken- und Börsenzusammenbruch in den USA trifft die deutsche Wirtschaft 1929 mit voller Wucht. Zahlreiche Handelsunternehmen und Banken melden Konkurs an, aufgrund des Zusammenbruchs der englischen Währung muss die Bremer Börse monatelang schließen.

1935-1944

Schutt und Asche

1935 markiert die Zusammenlegung der Börsen Bremen, Lübeck und Hamburg zur Hanseatischen Börse Hamburg das vorläufige Aus für den Finanzstandort Bremen. Und nicht nur das: In den Jahren 1943 und 1944 legen Bombenangriffe sowohl das Hauptgebäude als auch das Börsennebengebäude in Schutt und Asche.

1949

Neustart in die Moderne

Zügig nach Ende des Zweiten Weltkrieges wird der Bitte der Handelskammer Bremen, die Börse der Kaufleute wieder zu öffnen, nachgekommen. Schon 1949 nimmt sie wieder ihre Tätigkeit auf, zunächst in den Räumen der Sparkasse am Brill, später im Schütting. 1979 übernimmt Axel Schubert die Geschäftsführung der Börse. Sind es zu Beginn lediglich zwei Mitarbeiter, wird es unter seiner Regie im Laufe der Jahrzehnte gelingen, stetig zu wachsen und die Mitarbeiterzahl auf 48 hochschnellen zu lassen.

1982

Feier der Finanzwelt

1982 wird groß gefeiert: Nicht nur die Einweihung des neuen Domizils am Domshof 11, sondern das Jahr markiert zudem das 300-jährige Bestehen der Bremer Börse. Konsul Dr. Manfred Schröder, damaliger Präsident der Bremer Wertpapierbörse, hebt in seiner Festrede besonders die Bedeutung als Regionalbörse für das Land Bremen und Nordwestdeutschland hervor, die es unbedingt zu erhalten gelte – allen Widrigkeiten zum Trotz.

Ab 1982

Zeit der Umstrukturierung

Um sich auch weiterhin in der harten Finanzwelt – und gegen die starke Frankfurter Börse – zu behaupten, sieht sich die Bremer Wertpapierbörse in den 1980er- und 1990er-Jahren zu Umstrukturierungen gezwungen. Über angeworbene Freimakler, heutzutage Broker genannt, werden weitere Handelsgeschäfte akquiriert – und das aus der ganzen Welt, von Japan bis Nordamerika. Mit der Erschließung dieses neuen Geschäftsbereiches sowie einer eigenen kleinen Bank, der Wertpapierhandelsbank, ist es der Börse mit der Zeit gelungen, zu einem kleinen florierenden Finanzkonzern sowie professionellen Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen anzuwachsen. Auf den Domshof folgt die Obernstraße als neues Domizil, schließlich geht es in das Gebäude der Landeszentralbank Bremen in der Kohlhökerstraße.


Ab 1990

Vom Parkett- zum Computerhandel

Der Abwärtstrend lässt sich dennoch nicht aufhalten: Die sieben Regionalbörsen haben es zunehmend schwer, neben der Finanzmetropole Frankfurt zu bestehen. Zwar entwickelt die Bremer Wertpapierbörse zusammen mit deutschen und englischen Brokern ein weltweit einzusetzendes elektronisches Handels- und Abwicklungssystem für Aktien, „Midas“, und erntet dafür in der Fachwelt viel Anerkennung. Die größte deutsche Bank lehnt es jedoch offen ab.

2002-2003

Fusion und der große Wurf

Kurz nach der Jahrtausendwende erfolgt eine zehnprozentige Beteiligung an der amerikanischen Technologiebörse NASDAQ Deutschland AG. Ein sensationeller Coup! Doch das Vorhaben steht unter keinem guten Stern: Eine neue NASDAQ-Führungsriege macht einen Rückzieher, das zukunftsweisende Konstrukt findet bereits nach wenigen Monaten ein jähes Ende.

2007

Ende und Anfang – die Stiftungsgründung

Zum letzten Mal werden am 31. Juli 2007 in Bremen Wertpapierkurse festgestellt, da die Entwicklung hin zu zentralisierten Finanzstrukturen dem Bremer Schauplatz nur noch wenig Handlungsspielraum ließ. Regionalbörsen sind zu diesem Zeitpunkt kaum mehr gefragt – trotz beachtlicher Erfolge. Als Stiftung kehrt die BWB zurück in die Nähe des Platzes, wo alles begann: an den Liebfrauenkirchhof westlich des Rathauses. Damit rettete die BWB ihr Vermögen für den guten Zweck: Etwa 12 Millionen Euro fließen in die Förderung von Wissenschaft, Forschung und Kultur. Bis heute.