Frau Schultz, was wird an Ihrem Institut erforscht und was treibt Sie dabei an?
Seit 15 Jahren leite ich das Cognitive Systems Lab (CSL), an dem ich mit einem Team von Wissenschaftler:innen daran forsche, menschliches Verhalten wie Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Kommunikation und Interaktion computergestützt zu modellieren, vorherzusagen und zu erklären. Als Verhaltenssignale verarbeiten wir dazu sogenannte Biosignale aus Sprache, Gesten und Aktivitäten der Augen, der Muskeln und des menschlichen Gehirns. Diese zeichnen wir in unserem Biosignale Labor mit Sensortechnologien wie Kamera, Mikrofon, Motion Capture, Eyetracking, Elektromyographie (EMG), Elektroenzephalographie (EEG) und Nah-Infrarot auf. Anschließend setzen wir Methoden des Maschinellen Lernens und der Künstlichen Intelligenz (KI) ein, um anhand der Biosignale menschliches Verhalten und Bedürfnisse einzuschätzen. Diese Einschätzung nutzen wir zur Entwicklung innovativer technischer Systeme wie Roboter und Apps, die sich an individuelle Bedürfnisse ihrer Nutzer anpassen. Solche Systeme nennen wir Biosignal-adaptive Kognitive Systeme. Gemeinsam mit meinem Forschungsteam möchte ich erreichen, dass solche Kognitiven Systeme in SmartDevices, Robotern und intelligenten Umgebungen uns Menschen zukünftig unaufdringlich, aber transparent, selbstlos und zuverlässig darin unterstützen, unsere individuellen Bedürfnisse und Ziele zu erreichen. Die KI soll uns Menschen dienen, nicht umgekehrt!
Warum ist Nachwuchsförderung im MINT-Bereich so wichtig?
Wir leben heute in einer digitalisierten Welt und das wird auch in Zukunft so bleiben. In der Schule, bei der Arbeit und in der Freizeit begleiten uns digitale Geräte, komplexe IT-Systeme und smarte Umgebungen, denn chatGPT ist erst der Anfang. Damit wir mit diesen Systemen reibungslos umgehen und deren Funktionsweise nachvollziehen können, sind MINT-Kenntnisse (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) sehr nützlich, wenn nicht gar unabdingbar. Und je früher wir uns mit MINT beschäftigen, desto eher können wir mit den rasanten Technologie-Entwicklungen Schritt halten – oder sie sogar mitgestalten. Ich bin davon überzeugt, dass MINT-Kenntnisse für alle, aber besonders für junge Menschen, von zentraler Bedeutung sind, um für die neue Arbeitswelt gerüstet zu sein und das Potenzial von Freiheit, Selbstständigkeit und Teilhabe in einer digitalen und globalen Welt kreativ und positiv nutzen zu können. Deshalb möchte ich so viele junge Menschen wie möglich für MINT-Fächer begeistern!
Warum beteiligen Sie sich am Projekt/an der Challenge und was finden Sie daran besonders wichtig und gut?
Vor acht Jahren haben wir am CSL die Bremen Big Data Challenge (BBDC) erfunden Die BBDC ist ein Wettbewerb, in dem spannende Datenanalyseaufgaben mit Methoden der Künstlichen Intelligenz und des Data Science gelöst werden. Deshalb kommt eine wachsende Zahl von Teilnehmer:innen zur BBDC zusammen, um sich in Teams von bis zu drei Personen miteinander zu messen. Jedes Jahr denken wir uns am CSL ein neues Datenanalyseproblem aus, beispielsweise die Wasserqualität aus 60 Jahren Wasserproben einzuschätzen, Alltagsaktivitäten aus Bewegungsdaten zu erkennen oder die Energieproduktion aus Wind vorherzusagen. Seit 2023 gibt es drei Challenge-Tracks: einen für Studierende, einen für Professionals und einen für Schüler:innen. In jedem Track werden die fünf besten Teams in der BBDC-Abschlussveranstaltung mit attraktiven Preisen prämiert, dank fürstlichem Sponsoring und Unterstützung zahlreicher Einrichtungen. Mit der BBDC möchte ich die Neugier und Kreativität von jungen Talenten wecken und ideale Bedingungen bieten, um KI-gestützte Datenanalysen und Vorhersagen gemeinsam mit Gleichgesinnten spielerisch zu erproben und dabei die Potenziale von MINT-Technologien zu entdecken oder zu vertiefen.
Foto (c) Frank Pusch